Mille Miglia: Rudolf Carraciola siegt als erster Deutscher
Von Hans R. Richarzampnet – 17. Mai 2016. Bei den insgesamt 24 Wettbewerben der Mille Miglia zwischen 1927 und 1957 mussten die Italiener nur dreimal ausländischer Konkurrenz den Vortritt lassen.
Zwei Mal hatte Mercedes-Benz und einmal BMW die Nase vorn. Den ersten
Sieg eines Nicht-Italieners feierte Rudolf Caracciola aus Remagen am
Rhein 1931. Er benötigte für die 1000 Meilen von Brescia nach Rom und
zurück mit seinem Mercedes-Benz SSKL genau 16 Stunden, zehn Minuten und
zehn Sekunden. Doch aus dem Rennen von einst ist längst eine
touristische Zuverlässigkeitsfahrt geworden. Sie beginnt dieses Jahr am
Donnerstag, 19. Mai 2016.
Der spätere Sieger Rudolf Caracciola auf Mercedes-Benz SSK beim Start zur Mille Miglia 1931 und Verabschiedung von seiner Frau. Foto: Mercedes-Benz
Sonnabend, der 26. März 1927. Im historischen Kern der norditalienischen
Stadt Brescia in der Lombardei haben sich 77 Rennwagen samt Fahrern und
Beifahrern versammelt und warten auf den Startschuss zu einem
Wettbewerb, der alsbald zum Klassiker unter den
Langstrecken-Straßenrennen werden soll. Vor ihnen liegt ein Weg über
zumeist unbefestigte Strecken von 1000 Meilen – etwa 1600 Kilometer.
Zwei Jahre lang haben vier junge Autofreaks an der Veranstaltung
gebastelt, die in Brescia losgehen und auch dort wieder enden soll. Sie
wollen damit ihre Heimatstadt zum Zentrum des italienischen Motorsports
machen.
Zunächst findet das Rennen im Großraum Bresscia statt, erst 13 Jahre
später wird Rom zum Wendepunkt erklärt. Sieger des ersten Rennens in
drei Etappen ist nach insgesamt 21 Stunden, vier Minuten und 28,2
Sekunden der Mailander Rennprofi Ferdinando Minoia auf einem OM 665
Superba von Officine Meccaniche, einem für robuste Sportwagen bekannten
Unternehmen aus Brescia, das 1968 von Fiat übernommen wird. Das
Durchschnittstempo des Gewinners beträgt 77 km/h.
Von Beginn an nehmen bei den 24 Rennen, die bis 1957 stattfinden,
zumeist Italiener auf Alfa Romeo, Ferrari oder Lancia den Siegerpokal
mit nach Hause. Nur dreimal können Ausländer in die Italo-Phalanx
einbrechen: 1931, 1940 und 1955 – zweimal auf Mercedes-Benz, einmal auf
BMW.
Als erster Fahrer, der nördlich der Alpen geboren wurde, siegt der damals 30jährige Rudolf Caracciola aus Remagen am Rhein am 12./13. April 1931 bei dem berühmten Langstreckenrennen. Er und sein Beifahrer Wilhelm Sebastian legen die 1635 Kilometer in einem Mercedes-Benz Typ SSKL mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 101,1 km/h zurück.
Als erster Fahrer, der nördlich der Alpen geboren wurde, siegt der damals 30jährige Rudolf Caracciola aus Remagen am Rhein am 12./13. April 1931 bei dem berühmten Langstreckenrennen. Er und sein Beifahrer Wilhelm Sebastian legen die 1635 Kilometer in einem Mercedes-Benz Typ SSKL mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 101,1 km/h zurück.
„Karratsch" wie er gerufen wurde, gilt als erfolgreichster europäischer
Rennfahrer der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, kehrt danach mit einem
Mercedes 300 SL noch einmal nach Brescia zurück, wo er 1952 bei der
Mille Miglia den vierten Platz belegt. Im gleichen Jahr muss er nach
einem schweren Unfall beim Großen Preis von Bern seine
Rennfahrerkarriere beenden. Bereits im zarten Alter von 15 Jahren hatte
er mit Sondererlaubnis den Führerschein machenddürfen. Seine Fähigkeit,
auch bei schlechtem Wetter schnell und sicher unterwegs zu sein, brachte
ihm die Bewunderung seiner Rennfahrerkollegen und den heimlichen Titel
„Regenmeister“ ein.
Sein Siegerwagen von 1931 basierte auf dem SSK, der einen kurzen
Radstand hatte und damit sehr leicht und wendig war. Der SSKL war noch
einmal leichter – dafür steht das „L“ in der Typenbezeichnung –, er
brachte rund 1350 Kilogramm auf die Waage. Das war nicht viel Masse für
den Kompressor-Sechszylinder mit 7065 Kubikzentimeter Hubraum und einer
Leistung von 220 kW / 300 PS: Die Höchstgeschwindigkeit lag bei
beachtlichen 235 km/h. Bei der Mille Miglia macht der BMW 328 erstmals
1938 mit dem Sieg in der Wertungsklasse für Fahrzeuge mit maximal 2,0
Litern Hubraum auf sich aufmerksam.
Zwei Jahre später folgt der Gesamtsieg für Fritz Huschke von Hanstein
und Walter Bäumer im BMW 328 Mille Miglia Touring Coupé und damit zum
zweiten Mal ein Gesamtsiegerpokal für einen Ausländer. Die beiden
Deutschen gewinnen überlegen in acht Stunden, 54 Minuten und 46,3
Sekunden mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 166,7 km/h. Die
leichte Aluminiumkarosserie ihres Wagens aus besonders dünnen Blechen
war mit einem Gitterrohrgerüst versteift und sorgte für ein Leergewicht
von 700 Kilogramm. Damit hatte es der Sechs-Zylinder-Reihenmotor mit
zwei Litern Hubraum und bis zu 99 kW / 135 PS nicht besonders schwer.
Das Spitzentempo lag in der Gegend von 220 km/h.
Auch privat fuhr Fritz Huschke von Hanstein zu jener Zeit einen BMW 328,
Kennzeichen SS-333. Damit sowie mit entsprechenden Aufklebern drückte
er während der Nazi-Zeit seine Verbundenheit zur SS aus, deren Mitglied
er auch war. In den 1950er Jahren kehrte er – entnazifiziert –
erfolgreich auf die Rennstrecken zurück, wurde später Rennleiter bei
Porsche und Sportpräsident des Automobilclub von Deutschland (AvD).
1957 wird die Mille Miglia als reguläre Sportveranstaltung wegen
zahlreicher Unfälle eingestellt. Seit 1953 zählte sie zur
Sportwagen-Weltmeisterschaft. Am Montag, dem 2. Mai 1955, siegt zum
letzten Mal ein Ausländer in Brescia. Stirling Moss und sein Beifahrer
Denis Jenkinson sind im Mercedes-Benz 300 SLR zum damals wichtigsten und
auch gefährlichsten Straßenrennen gestartet und müssen sich auf 1597
Kilometer der kurvenreichen Strecke ohne größere Sicherheitsvorkehrungen
einer Konkurrenz von 520 anderen Fahrzeugen erwehren. Das gelingt ihnen
mit Bravour. Nach 10 Stunden, 7 Minuten und 48 Sekunden winkt die
Flagge in Brescia das silberne Auto mit der rot aufgemalten 722 – der
Startzeit, wie es bei der Mille Miglia üblich ist – als erstes ins Ziel.
Es ist eine neue Rekordzeit für die 1000 Meilen, die nicht mehr
unterboten werden soll: im Durchschnitt 157,65 km/h. Damit ist Moss, der
zwar niemals Weltmeister wurde, aber sonst alles gewann, was als
Rennfahrer zu gewinnen ist, dort angekommen, wo er hin wollte: im Olymp
des Motorsports.
Sein damaliges Dienstfahrzeug war ein Mercedes-Benz 300 SLR, im Gegensatz zum sechszylindrigen Straßenwagen 300 SL mit Flügeltüren ein offener Zweisitzer mit stromlinienförmiger Karosserie und einem Achtzylindermotor mit drei Litern Hubraum und einer Leistung von 196 kW / 366 PS. Damit schaffte der Wagen bis zu 290 km/h.
Sein damaliges Dienstfahrzeug war ein Mercedes-Benz 300 SLR, im Gegensatz zum sechszylindrigen Straßenwagen 300 SL mit Flügeltüren ein offener Zweisitzer mit stromlinienförmiger Karosserie und einem Achtzylindermotor mit drei Litern Hubraum und einer Leistung von 196 kW / 366 PS. Damit schaffte der Wagen bis zu 290 km/h.
2016 findet die Mille Miglia vom Donnerstag, 19. bis zum Sonntag, 22 Mai
statt. Traditionell unterstützt Mercedes-Benz als Automotive Sponsor
das prestigeträchtige und berühmte Straßenrennen quer durch Italien auch
diesmal. Die Fahrzeugliste der teilnehmenden Wagen made in Stuttgart
liest sich wie ein Menü automobiler Delikatessen: Aus der Epoche der
Kompressor-Sportwagen der 1920er- und 1930er-Jahre werden die Typen SS
und SSK vertreten sein. Aus den 1950er-Jahren mehrere 300 SL – und
zusätzlich die Typen 180 D, 220 a und 190 SL. Zeugnisse aus dem Jahr
2015 belegen, dass schon bei den originalen 1000 Meilen im Jahr 1956 ein
190 SL mit dabei war. Das französische Fahrerteam Michel Bianco / Jean
Loup Pellecuer, Startnummer 347, belegte damals nach einer Fahrtzeit von
16 Stunden, 6 Minuten und 15 Sekunden Platz 121.
Wie seit 1977 ist auch 2016 die Mille Miglia eine Zuverlässigkeitsfahrt
für Oldtimer. Die Route orientiert sich an der historischen Strecke und
führt wie einst von Brescia nach Rom und zurück. Anspruchsvolle
Wertungsprüfungen erwarten die Teilnehmer und ihre klassischen Fahrzeuge
auf den 1000 Meilen. Start und Ziel ist wie immer der Viale Venezia in
Brescia. Die erste Etappe führt zunächst zum Gardasee und dann nach
Rimini, am zweiten Tag geht es weiter nach Rom, Tag drei führt nach
Parma und die letzte Etappe an Tag vier endet nachmittags gegen halb
drei wieder in Brescia.
Und die Startnummer eins erhält wie jedes Jahr seit 1928 ein OM 665 Superba, der Siegerwagen der ersten Mille Miglia 1927.
Text: Ampnet/Hans R. Richarz
Text: Ampnet/Hans R. Richarz
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