Erfahrungen mit einem Land Rover von 1951: Totaler Minimalismus
Von Thomas Langampnet – 1. Juni 2016. Nach 68 Jahren feierte Land Rover eine große Abschiedsparty für den Land Rover, dessen Name zu einer Marke wurde, die für unerreichte Qualitäten im Gelände steht.
Die schlichte Fahrkiste von damals wurde zur Keimzelle für ein breites
Angebot, das vom zum Defender weiterentwickelten Ur-Landy bis hoch zu
Edel-Range Rover mit Sportwagenmotoren reicht. Den Nimbus begründete
aber der Land Rover von 1947, erst später umbenannt in Defender. Wir
fuhren einen Land Rover von 1951.
Ein Auto des Baujahrs 1951 ist das älteste, das die persönliche
Autobiografie als Fahrer verzeichnet. Der dunkelgrüne Geländewagen
zwingt seinen Fahrer zu jedem Aspekt alles zu vergessen, was beim
Autofahren in den vergangenen Jahrzehnten in Fleisch und Blut
übergegangen ist. Mit 3,57 Meter Länge ist das Auto kürzer als die
meisten zeitgenössischen Kleinwagen. Lassen wir einmal den Smart Fortwo
außen vor. Der ist ja auch nur für Zwei Personen gedacht.
Zum Öffnen der beiden Türen muss sich die Rechte durch eine Öffnung
unterhalb der Plastikseitenscheibe fädeln, die mit einer Abdeckung aus
stabilem Segeltuch das Eindringen von Nässe höflich aber nicht wirklich
zwingend verhindert. Der textile Werkstoff teilt sich mit
Aluminiumblechen die Aufgabe, eine Karosserie zu bilden. Als das Modell
1948 auf dem Markt kam, war das Verdeck nur optional erhältlich.
Ebenfalls zwei dünne, mit Kunstleder bezogene Polster, die Lehne und
Sitzfläche des Beifahrersitzes bilden. Der selbstverständlich nicht
verstellbare Fahrersitz vertraut auf das identische übersichtliche
Gebinde beider Komponenten.
Wenn der Fahrer nicht gerade ein Hobbit ist, erlebt er die Sitzposition so bequem wie lange Unterwäsche aus Holzwolle. Es gibt einen Zündschlüssel, einen Ganghebel, zwei weitere zum Zuschalten von Untersetzungsgetriebe und Allradantrieb, eine Tankanzeige, einen Lichtschalter. Das große Lenkrad verfügt über einen Kranz aus schwarzem Kunststoff, das den Durchmesser eines Trinkhalms aufweist.
Während die allerersten Modelle des Land Rovers ein Vierzylinder aus
Gusseisen mit untenliegender Nockenwelle, 1,6 Liter Hubraum, und 50 PS
antrieb, wuchs der Hubraum 1951 auf zwei Liter und die Leistung auf 52
PS. Um zum Leben zu erwachen, verlangt der Motor nach einem beherzten
Zug am Joke. Bereits nach einer kurzen Drehung des Zündschlüssels
springt er an. Zaghaft und hustend entlässt er erst einmal eine Wolke
unverdauter Kohlenwasserstoffverbindungen aus dem fingerdünnen
Auspuffrohr, die jedes Umweltministerium spontan in Schnappatmung
versetzen kann. Nach einer schicklichen Warmlaufphase darf der Joke
wieder gedrückt werden. Dann brummt das archaische Maschinchen
erstaunlich ruhig und reagiert artig auf die Gasbefehle.
Als die Entwicklung des Fahrzeugs 1947 begann, lastete eine große
Verantwortung auf dem Projekt. Der Zweite Weltkrieg hatte Großbritannien
ökonomisch vollkommen erschöpft. Für den Autohersteller bestand die
Aufgabe darin, ein Produkt zu entwickeln, das nach dem Zusammenbruch der
Waffenproduktion nachhaltig für Umsätze sorgen und neue Arbeitsplätze
schaffen sollte. Als Zielgruppe des puristischen Mobils hatte der
Hersteller Landwirte im Visier. Dafür sollte der Land Rover auch mit
Pflug am Heck oder Mähbalken auf Wiese und Feld arbeiten können und
genügend Laderaum bieten, damit der Bauer seine Erzeugnisse auch
transportieren konnte. Der Purismus der Konstruktion war nicht zuletzt
der Haltbarkeit und geringem Wartungs- und Reparaturaufwand geschuldet.
Diesen Geist des totalen Minimalismus strahlt der 65 Jahre „Landy“ mit
jeder Niete und Ritze unverändert aus. Servolenkung? – Was ist das?,
Heizung? – Was ist das? Die Klimatisierung des Innenraums ist in drei
Stufen möglich. Stufe 1: Seitenscheibe beiseite schieben. Stufe 2: Obere
Hälfte der Türe mit Seitenscheibe durch Lösen der beiden Haltebolzen
komplett entfernen. Stufe 3: Zelt, pardon, Verdeck abbauen. Ach ja, wem
das immer noch nicht reicht, darf die Frontscheibe nach vorne auf die
Motorhaube klappen.
Die fehlende Synchronisation der beiden ersten Gangstufen, fordert den Ungebübten, der mehr als einmal beim Gangwechsel die Verantwortung für laute Klageweisen der Mechanik übernehmen muss. Die Lenkung ist zwar extrem direkt übersetzt, verfügt aber gleichzeitig über so viel Spiel, dass das Fahrzeug Lenkbewegungen eher als unverbindliche Anregungen für einen Richtungswechsel interpretiert.
Die fehlende Synchronisation der beiden ersten Gangstufen, fordert den Ungebübten, der mehr als einmal beim Gangwechsel die Verantwortung für laute Klageweisen der Mechanik übernehmen muss. Die Lenkung ist zwar extrem direkt übersetzt, verfügt aber gleichzeitig über so viel Spiel, dass das Fahrzeug Lenkbewegungen eher als unverbindliche Anregungen für einen Richtungswechsel interpretiert.
Es gibt keinen Wert für den Sprint aus dem Stand auf Tempo 100, denn die
Höchstgeschwindigkeit ist bei 90 km/h erreicht. Im Gelände zeigt der
Oldie freilich noch immer Fähigkeiten, die den meisten aktuellen SUV die
Schamesröte ins Gesicht treiben kann.
Nach der Ausfahrt bleibt genug Zeit im Fotoalbum des Land Rovers zu
blättern. Winston Churchill fuhr einen. Ebenso wie Daniel Craig, alias
James Bond einen Defender, wie der Land Rover seit 1990 offiziell heißt.
Die Fotos zeigen Elisabeth II. in einer Sonderanfertigung für
Repräsentationszwecke, wie sie ihren Untertanen im Commonwealth
zulächelt. Aber auch mit Kopftuch und entschlossenem Blick am Steuer
eines Defenders. Als junge Frau erhielt die Königin im Krieg eine
Ausbildung als Fahrerin und Mechanikerin für Lastwagen. Somit erscheint
sie am Volant des Landys so authentisch wie glaubwürdig.
Das Fazit dieses ungewöhnlichen Tests führt nicht zum klassischen
Resümee wie bei einem zeitgenössischen Auto. Es gerät zur
philosophischen Betrachtung. Die auf das absolut Wesentliche reduzierte
Form eines Automobils ermahnt zur Demut und Bescheidenheit. Nach einer
langen Wanderung oder andauernden körperlichen Anstrengung schmeckt ein
frisches Bauernbrot mit Butter, Salz und etwas Schnittlauch schließlich
mindestens so gut wie raffiniertes Sternemenü. Kein Auto könnte die
Binsenweisheit „Lieber schlecht (einfach) gefahren, als gut gelaufen“
besser illustrieren, als der alte Landy.
Der einfache Aufbau von Chassis und Technik qualifizieren frühe Landys
als Objekte der Begierde für Oldtimerfans. Der Hersteller hat nach dem
Produktionsende des Defenders die Initiative „Reborn“ ins Leben gerufen.
Das Unternehmen kauft auf der ganzen Welt Fahrzeuge der ersten Serie
auf, vorausgesetzt, der Rahmen und die Spritzwand sind noch intakt. Auf
der ehemaligen Produktionsstraße des Defenders schaffen Spezialisten
eine Mischung aus Restauration und kompletten Neuaufbau, die Land Rover
offiziell für Preise zwischen 75 000 und 100 000 Euro verkauft. Für
Kenner ein Schnäppchen. 30 neue Serie-1-Landys haben bereits einen
Liebhaber gefunden. Unter Sammlern ist das Modell fast so gesucht wie
eine „Blaue Mauritius“ unter Philatelisten.
Nach der persönlichen Begegnung ist diese Begeisterung nachvollziehbar.
Der Land Rover/Defender hat endgültig den Weg zur Unsterblichkeit
eingeschlagen. (ampnet/tl)
Daten Land Rover Serie 1
Länge, Breite, Höhe (m): 3,57, 1,59, 1,95
Radstand (m): 2,02
Motor: R4, 1997 ccm
Leistung: 38 kW / 52 PS bei 4000 U/min
Max. Drehmoment: 137 Nm bei 1500 U/min
Kraftübertragung: Vier-Gang-Schaltgetriebe, 1., 2. Gang unsynchronisiert, Untersetzungsgetriebe, zuschaltbarer Allradantrieb
Beschleunigung 0 auf 100 km/h (s): -
Höchstgeschwindigkeit (km/h): 90
Durchschnittsverbrauch auf 100 km (l): ca. 12,5
CO2-Emissionen: -
Effizienzklasse: -
Gepäckraumvolumen (l): k. a.
Leergewicht (kg): 1224
Zuladung (kg): 453
Tankvolumen (Imperial Gallon/l): 10/45
Preis: 1951: ab 500 Pfund, rund 5000 D-Mark
Länge, Breite, Höhe (m): 3,57, 1,59, 1,95
Radstand (m): 2,02
Motor: R4, 1997 ccm
Leistung: 38 kW / 52 PS bei 4000 U/min
Max. Drehmoment: 137 Nm bei 1500 U/min
Kraftübertragung: Vier-Gang-Schaltgetriebe, 1., 2. Gang unsynchronisiert, Untersetzungsgetriebe, zuschaltbarer Allradantrieb
Beschleunigung 0 auf 100 km/h (s): -
Höchstgeschwindigkeit (km/h): 90
Durchschnittsverbrauch auf 100 km (l): ca. 12,5
CO2-Emissionen: -
Effizienzklasse: -
Gepäckraumvolumen (l): k. a.
Leergewicht (kg): 1224
Zuladung (kg): 453
Tankvolumen (Imperial Gallon/l): 10/45
Preis: 1951: ab 500 Pfund, rund 5000 D-Mark
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