Im Rückspiegel: Mit der 16 gelang Renault der Sprung
Mit dem Renault 16 präsentierte der französische Automobilhersteller Renault vor 55 Jahren die erste Mittelklasse-Limousine mit Schrägheck, großer Kofferraumklappe und variablem Innenraumkonzept. Der als Antwort auf den Babyboom der 60er-Jahre konzipierte Renault 16 war bei seiner Präsentation im März 1965 eine automobile Sensation.
Gaston Juchet gelang seinerzeit der wegweisende Entwurf eines Viertürers
mit Schrägheck und je drei Seitenscheiben. 1965 feierte der Renault 16
auf dem Genfer Auto-Salon seine Messepremiere mit einem positiven
Presseecho: „Sieg der Vernunft: innen größer als außen”, titelte die
Zeitschrift „Hobby”, die „Auto Motor und Sport” schrieb von einem „neuen
Begriff in der Mittelklasse”. Es folgten gute Verkaufsergebnisse und
die Auszeichnung als „Auto des Jahres 1965”. Rennsportlegende Stirling
Moss nannte ihn „das am intelligentesten konstruierte Automobil“, das er
je gesehen habe. Die Zeitschrift „mot Auto-Kritik“ verspürte gar „eine
Ohrfeige für die deutsche Automobiltechnik“ und erhob ihn euphorisch zum
„neuen Maßstab“ für die Branche.
Die Maße des Neulings: 4,32 Meter Länge, 1,65 Meter Breite und 1,36
Meter Höhe, dazu serienmäßig vier Türen, wenn die große Kofferraumklappe
hinzugezählt wird, sogar fünf. Tatsächlich fiel der R 16 nicht nur mit
seiner Heckklappe aus dem Rahmen. Auch der lange Radstand und das
„Pagodendach“ tragen zum unverwechselbaren Erscheinungsbild bei. Die
hochgezogenen Karosseriekanten waren mehr als nur ein Design-Gag. Sie
verliehen dem Fahrzeug eine ausgezeichnete Verwindungssteifigkeit, und
dies trotz fehlender Querwand zwischen Passagierabteil und Kofferraum.
Vor allem aber überzeugte der Renault durch eine bis dahin nicht
gekannte Innenraumvariabilität. Die Sitzlandschaft ließ sich in
insgesamt sieben Positionen an die unterschiedlichsten Situationen
anpassen. Wer viel zu transportieren hatte, konnte das Fondgestühl
umklappen, um bis zu 15 Zentimeter nach vorne schieben oder ganz
ausbauen. Hierdurch wucht das Ladevolumen von 346 auf 1200 Liter. Eine
weitere – heute aus der Mode gekommene – Konfiguration erlaubte es, die
Rückenlehne der Fondbank unter den Dachhimmel zu hängen, während das
Sitzkissen nach vorne gekippt und von hinten an die Vordersitze gelehnt
wird.
Der Beifahrer konnte zwischen zwei Liegekombinationen für seinen Sitz
wählen, eine für unterwegs, die andere für das Nickerchen auf dem
Rastplatz. Und in der „Mama“-Position rückte Mutti – so wollen es die
Namensgeber – den Beifahrersitz auf Tuchfühlung an die Fondbank, so dass
der schlafende Sprössling bei einer Vollbremsung nicht in den Fußraum
purzelte.
Ein Detail wussten vor allem Männer, die Hut tragen, zu schätzen: Dank
der hohen Türausschnitte und der stattlichen Innenraumhöhe konnten sie
im Wagen Platz nehmen, ohne Gefahr zu laufen, dass ihnen der Dachholm
die Kopfbedeckung vom Haupt warf. Auch an eine solide
Kofferraumabdeckung hatte Renault gedacht. Sie beugte dem Eindruck vor,
in einem schnöden Kombi zu sitzen, der damals noch ein reines Nutztier
war, und hielt das Odeur geruchsintensiver Einkäufe von den Insassen
fern.
Weiteres durchdachtes und komfortables Detail: Die in Deutschland nahezu
ausschließlich nachgefragte Ausstattung „Grand Luxe“ verfügte über eine
Mittelarmlehne mit praktischem Ablagefach. Sie erlaubte jene
unverwechselbar lässige Renault 16 Fahrer-Haltung, die auch zum
Gangwechsel nicht aufgegeben werden musste. Denn geschaltet wurde
grundsätzlich am Lenkrad. Dazu konnte der Ellbogen weiter auf der
Armstütze ruhen. Die Fachzeitschrift „Auto Motor und Sport“ erklärt den
Franzosen im Rahmen eines 50 000-Kilometer-Dauertests zum „rollenden
Wohnzimmer“.
Anfangs mobilisiert der Leichtmetall-Vierzylinder 55 PS (44 kW) aus 1470
Kubikzentimetern Hubraum. Im Lauf der Zeit stieg die Leistung auf 68 kW
/ 93 PS in der 1973 vorgestellten Spitzenversion TX. Damit verbunden
war ein stetiges Hubraumwachstum auf bis zu 1647 Kubikzentimeter. „In
Bezug auf Laufruhe, Elastizität und Leistungsverhalten gehört der Motor
zum Besten, was heute in der Vierzylinder-Mittelklasse existiert“, lobte
„Auto, Motor und Sport“ das Aggregat, das später in
leistungsgesteigerter Form auch in den Sportwagen Renault Alpine A 110
und A 310 Motorsportgeschichte schreiben wird.
1966, im ersten vollen Verkaufsjahr, setzte Renault allein in Frankreich
von seinem neuen Topmodell 68.916 Fahrzeuge ab. Bis 1969 stieg die Zahl
auf 92.488 Autos. Weltweit verkaufte Renault in jenem Jahr 179.991 R
16, eine Zahl, die 1970 noch überboten wurde. Dazu trugen auch die
Einführung des stärkeren TS-Modells 1968 mit 83 PS (61 kW) und der
Automatikversion 1969 mit 67 PS (49 kW) bei. Ein Jahr zuvor hatte
Renault den Export des R 16 nach Kanada und in die USA gestartet. Das
US-Magazin „Road Test“ schlug vor, „alle in Detroit arbeitenden Designer
zwei Wochen ans Lenkrad dieses Autos zu setzen, in der Hoffnung, dass
ihre eingeschläferte Fantasie wieder aufgeweckt wird“.
Zum Modelljahr ’71 erlebte der R 16 sein erstes Facelift. 1972 rollte in
Sandouville der einmillionste Renault 16 vom Band. Selbst als Ende 1975
der Nachfolger Renault 20 auf den Markt kam, bedeutete dies nicht das
Aus für den Renault 16: Noch bis zum Januar 1980 wurde er weiter
produziert. Insgesamt baute Renault 1.845.959 Exemplare.
Text: ampnet/deg/Sm
Kommentare
Kommentar schreiben
Um einen Kommentar zu verfassen, müssen Sie angemeldet sein.
Noch nicht registriert? zur Registrierung
Das könnte dich auch interessieren: