50 Jahre Range Rover: Nostalgie-Tour mit Ton-in-Ton-Ambiente
„Hochzeit“ nennt man im Automobilbau das Zusammenfügen von Karosserie und Chassis. Wenn dieser Tage im englischen Solihull ein Range Rover montiert wird, kann man getrost von Goldener Hochzeit sprechen. Exakt am 17. Juni vor 50 Jahren begann auf der Insel die Geschichte der Luxus-Geländewagen. Grund genug für eine Jubiläums-Ausfahrt mit einem Exemplar der ersten Serie, heute „Classic“ genannt.
Unter großer Geheimhaltung wurden 1969 die ersten 29 Prototypen
zusammengeschraubt, an der Heckklappe prangte zur Verschleierung ihrer
Herkunft der Begriff „Velar“, was sich wohl ein besonders humorbegabter
Land-Rover-Mitarbeiter ausgedacht hat. Die italienische Vokabel „velare“
wird mit verbergen oder verhüllen übersetzt. Obgleich heute der Range
Rover allgemein als Stammvater stattlicher, komfort-orientierter Sport
Utility Vehicles (SUV) angesehen wird, scheint die Idee nicht
ausschließlich britischen Ursprungs: Schon 1963 hatte Jeep mit dem
Modell Grand Wagoneer ein sogar etwas größeres und nicht minder edel
ausgestattetes Fahrzeug auf den Markt gebracht.

Autor Axel F. Busse im individuell restaurierten Range Rover I von 1979. Foto: Auto-Medienportal.Net/JLR/Michael Küster
Das Objekt unserer Ausfahrt ist gut zehn Jahre jünger als die
Velar-Prototypen, erstzugelassen in Belgien im Januar 1979. Stolzer
Besitzer ist Alexander van de Ven, dessen Firma auf internationaler
Ebene mit Neu- und jungen Gebrauchtwagen handelt. Ein Sammler
historischer Automobile ist er nicht, der Range Rover ist sein einziger
und ganz bewusst ausgesuchter Klassiker. Aber ein ganz besonderer, von
dem man ohne Übertreibung behaupten kann, dass er heute in einem
besseren Zustand ist, als es der Neuwagen je war.
Die Nennung des Namens Range Rover löst unmittelbar die Vorstellung von
einem Fahrzeug aus, das größer als ein Durchschnittsauto ist. Für die
Karosseriehöhe gilt das zuverlässig, egal ob man von der Classic- oder
von der heutigen vierten Generation spricht. Der klassische Dreitürer
der ersten Baureihe ist allerdings nur 4,45 Meter lang, ein Jaguar
F-Type von heute ist 25 Millimeter länger. Ein Fünftürer war zunächst
nicht vorgesehen, erst später ließ man ihn bei Monteverdi in der Schweiz
fertigen. Das britische Königshaus, so ist überliefert, habe gleich
zwei dieser britisch-schweizerischen Co-Produktion für den royalen
Fuhrpark geordert. Insgesamt wurden 167 Range Rover Monteverdi
hergestellt.
Seinen Ruf als Kombination aus gehobenem Komfort und Unverwüstlichkeit
erwarb sich der Range Rover nicht zuletzt durch seine Motorisierung. Der
Wagen von Alexander van de Ven hat ein V8-Aggregat, dessen Ursprung auf
den amerikanischen Hersteller Buick zurückgeht. Die Leistung erscheint
mit 130 PS (96 kW) aus heutiger Sicht bescheiden, allerdings hatte der
Land Rover Series II („Defender“) Anfang der 70er Jahre auch nur 63 PS
(46 kW). Für die Kraftübertragung ist beim Range Rover Classic eine
Vier-Gang-Handschaltung zuständig, mit der Anwendung von Zwischengas
sollte vertraut sein, wer geschmeidig runterschalten will.
Rückstell-Automatik für den Blinker oder Intervall-Schaltung beim
Scheibenwischer gibt es nicht, das Blatt an der Heckscheibe entfiel beim
Restaurieren gleich komplett. „Ich finde, so ein Wischer sieht einfach
nicht gut aus“, sagt van de Ven. Der Motor brummelt gewaltig, aber das
hohe Drehmoment erlaubt es, schon bei City-Geschwindigkeit im vierten
Gang zu fahren. Die Lichtschaltung gibt einige Rätsel auf, da wären
weitere Probefahrt-Kilometer vonnöten. Dafür hat der Range Rover Classic
etwas bekommen, was es im Original noch nicht gab: Die Sitze sind
beheizbar und es wurde eine verborgene Anschluss-Möglichkeit für ein
Mobiltelefon geschaffen.
Das große Lenkrad mit dem dünnen Kranz erlaubt präzises Manövrieren, von
einer ausgeschlagenen Lenkung ist nichts zu merken. Ungewohnt beim
Fahren sind die winzigen Außenspiegel, nicht nur, weil sie sehr genau
auf den Blick des Fahrenden justiert werden müssen, sondern auch, weil
sie nur von außen zu verstellen sind. Dass man sich trotzdem auf Anhieb
pudelwohl hinter dem Volant fühlt, liegt an dem geschmackvoll
durchgestylten Innenausbau. Dafür war ein Bekannter des Besitzers
zuständig. In der Werkstatt von Chris Reitz in Barcelona wurde der alte
Wagen in seine heutige Form gebracht. „Ein typischer Scheunenfund“,
berichtet der Experte, „der Motor lief, aber sonst ein trauriger
Allgemeinzustand. Alle Gummiteile waren hart wie Fels“.
Acht auf den warmen Farbton „Le Mans Grün“ colorierte Rinder-Häute gaben
den Polstern und weiteren Bezügen ihre anmutige Ausstrahlung. In
gleichem Ton wurden Verkleidungen, der Pralltopf des Lenkrades und Teile
des Armaturenbretts verkleidet, ebenso die Hülle, in der das Reserverad
auf der linken Seite des Laderaums ruht. Das Grün für den Außenlack
fand Reitz im Porsche-Farbsortiment, denn Autos dieser Marke sind sein
hauptsächliches Betätigungsfeld.
Vorwitzig ragt der Stummel des Handbremshebels aus dem Teppich-Gewebe,
dessen Sisal-Struktur nebst grüner Einfassung einen speziellen Charme
versprüht. „Die Original-Range-Rover-Lacke der damaligen Zeit gefielen
mir nicht“, erinnert sich Alexander van den Ven, „das so genannte
Oak-Green passt viel besser zu dem Auto.“ Dieser Meinung ist man beim
Hersteller offenbar nicht: Zum Jubiläum werden Sondermodelle der
aktuellen Fahrzeug-Generation in den historischen Farben wie zum
Beispiel „Bahama Gold“ aufgelegt.
Das größte Problem beim Restaurieren sei der Mangel an Ersatzteilen
gewesen, weiß Chris Reitz zu berichten. Die Dichtungsgummis, die für das
kleine Dreieckfenster an der A-Säule beschafft werden mussten, erwiesen
sich von minderer Qualität, einige andere Stücke konnten in Frankreich
ausfindig gemacht werden. Hier und da mussten Teile nachgebaut werden,
nicht immer hat deren Beschaffenheit den Restaurator überzeugt. Daher
wurde ein zweiter Range Rover Classic besorgt, um ihn als Teilespender
auszuschlachten. „Schließlich ist es uns gelungen, aus einem
unscheinbaren Range-Rover-Arbeitspferd ein schmuckes und edles
Manegen-Ross zu machen“, so Reitz. Zwischen 800 und 1200 Arbeitsstunden
hätten seine Leute und er in die Restaurierung investiert, ganz genau
weiß er es nicht.
2000 Britische Pfund kostete ein Range Rover 1970. Das waren nach
damaligem Wechselkurs rund 17.000 Deutsche Mark. Der durchschnittliche
Jahreslohn eines deutschen Arbeitnehmers belief sich seinerzeit auf etwa
5400 Mark. Von Klassik-Experten weiß der Besitzer, dass man sein Auto
heute für 70.000 Euro oder etwas darüber verkaufen könnte. „Aber ich
habe 100.000 Euro hineingesteckt“, sagt Alexander van den Ven, „das wäre
gar kein gutes Geschäft.“
Text: ampnet/afb
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